Times

Brigitte Waldach, Berlin
26.04.2024 - 22.06.2024

BRIGITTE WALDACH
TIMES
27. April - 22. Juni 2024

Brigitte Waldach (* 1966 in Berlin) arbeitet in großformatigen Zeichnungen und raumgreifenden Installationen. Sie verbindet in ihrem Werk historische und zeitgenössische Elemente, um gesellschaftliche Konventionen und Grundwerte zu hinterfragen. Nationale und internationale Anerkennung erlangte sie in den letzten Jahren mit ihren großformatigen, oft rotfigurigen Zeichnungen und Installationen, die kontroverse gesellschaftliche und politische Themen wie Religion und Terrorismus aufgreifen. Für ihre neusten Zeichnungen hat sich Waldach mit den Flaggen der europäischen Mitgliedstaaten auseinandergesetzt. Die für sie ungewohnt farbenfrohen Streifen übersetzen das Konzept Europa in eine formal reduzierte Form und bilden gleichzeitig einen möglichen Entwurf für eine übergreifende europäische Flagge.

„Es ist der künstlerischen Souveränität von Brigitte Waldach zu danken, dass sie zwischen Hingabe und Durchdringung Bilder für die Komplexität unserer Weltaneignung findet, die das Analoge mit dem Digitalen, das Flüchtige mit dem Beständigen, Auflösung und Verfestigung miteinander versöhnt.“
Roland Nachtigäller (ehm. Direktor des Museums Marta Herford)

Waldachs Codierung von Flaggen europäischer Mitgliedstaaten eröffnet einen ambivalenten Kosmos aus bekannten Zeichen und doppeldeutigen Reflexionen. Ihre zeichnerische Analyse politischer Gegenwart ist hoch präzise und lässt zeitgleich Raum für Interpretationen. In ihrer aktuellen Serie „European-Landscape“ thematisiert und reininterpretiert Waldach ein neues Branding für ein Europa der „Diversität und Einheit“, das ursprünglich vom Architekten Rem Kohlhaas auf Basis eines Strichcodes entwickelt wurde. Waldach entwirft daraus die Idee eines flexiblen Systems der EU, das in das dynamische Format der Zeichnung übersetzt wird. Ihr modellierbares System aus den Farben der Flaggen der EU-Mitgliedstaaten wird bei „European Target“ (2024) als Art Zielscheibe angeordnet. Wie die Jahresrinde eines Baumes wird hier der Zuwachs an neuen EU-Staaten visualisiert. Die Nationalfarben werden stellenweisen anhand von Zitaten von Nobelpreisträgern und ihren Entdeckungen mit dem geistigen Potential der jeweiligen Nationen ergänzt, die gleichsam als vegetatives System die nationalen Grenzen wiederum zu überwinden scheinen. So entsteht eine Symbolik für Europa, die an eine utopische Landschaften erinnern könnte. Bei „European Brexit“ (2024) stehen wiederum mögliche Bedrohungen für die proklamierten Einheit Europa stärker im Fokus. Die vertikal verlaufenden Farbflächen sind deutlich mitgenommen, wirken eingedrückt und zerbeult. Ein Kreis mit den Nationalfarben der Ukraine – als inoffizieller Aufnahmekandidat – ist seitlich als kreisförmiges Element in Begriff die Bildfläche zu betreten, während links das Shakespeare Zitat „to be or not to be“ den Austritt Großbritanniens thematisiert. Das Triptychon „Conflicts“ (2022/23) thematisiert schließlich mit Nachdruck die reale Bedrohung für das Ideal politischer Einheit. Anhand von verschieden großen Atomwolken werden Atomwaffen-Arsenale diverser Länder dargestellt. Obwohl die Ansammlung der Wolken visuell harmlos anmuten, thematisiert das Triptychon eine fast unsichtbare aber nicht zu verleugnende Bedrohung. Mit „Schweigen“ (2021) wird anhand des Motivs der Kirche eine weitere Weltmacht in den Kontext der Ausstellung eingeführt. Auch hier thematisiert Waldach die Ambivalenz zwischen Zusammenhalt und Zerfall sowie zwischen Erlösung und Leid. In roter Schrift in der linken unteren Ecke des Bildes wird schließlich die Frage nach einem möglichen Happy End in den Raum gestellt: Ist das Konzept von friedlicher Einheit am Ende doch nur Illusion?

Sammlungen (Auswahl)
Brigitte Waldachs Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen Sammlungen, u. a. Albertina (Wien), Altana Kulturstiftung, Aros – Kunstmuseum (Aarhus, Dänemark), Berlinische Galerie, Internationales Haus der Fotografie, Deichtorhallen, Hamburg (Stiftung Gundlach), Kunsthalle Emden, Kunsthalle zu Kiel, KUNSTWERK (Sammlung Klein, Everdingen), Landesregierung Schleswig Holstein (Kiel), Museum Marta Herford,, Museum Kunstpalast Düsseldorf, Nationalbank Essen, NBK – Neuer Berliner Kunstverein (Artothek), Rogaland Museum, Stavanger, Sammlung Wemhöner, Staatliche Museen zu Berlin (Kupferstichkabinett), Stiftung Moritzburg (Landesmuseum Sachsen-Anhalt), Sprengel Museum (Hannover) sowie national und internationalen Privatsammlungen.